Man ist nicht dort zu Hause, wo man seinen Wohnsitz hat. Man ist dort zu Hause, wo man verstanden wird.
Diese Weisheit des deutschen Dichters Christian Morgenstern mag schon über 100 Jahre alt sein. An Gültigkeit hat sie aber bis heute nicht eingebüßt.
Ein Zuhause sollte sich nicht auf pragmatische Räumlichkeiten reduzieren. Es sollte Geborgenheit vermitteln, Verlässlichkeit, Schutz und Sicherheit. Kurzum: In seinem Zuhause sollte sich der Mensch wohlfühlen dürfen.
Seit nunmehr 30 Jahren ist das Wohnheim 2 der Lebenshilfe Lindau in Lindenberg ein solches Refugium für Menschen mit Behinderungen. Für das Wohnheim 1 gilt das gar seit vier Jahrzehnten.
Ein doppelter Grund also, die enorme Bedeutung der Wohnheim-Gemeinschaft bei der Lebenshilfe zu feiern – die Bewohnerinnen und Bewohner, aber vor allem auch das engagierte Team aus Fachkräften. Geladene Gäste, viele Besucher und natürlich die Bewohnerinnen und Bewohner feierten bei strahlendem Sonnenschein und spätsommerlichen Temperaturen ein stimmungsvolles Jubiläum.
Der Musikverein Bösenreutin sowie DJ MC Markus Weber sorgten bei dem top-organisierten Event für gute Laune. Tanzlehrerin Ramona Sirianni von der Wangener Tanzschule Ramonas Dance Academy zeigte eine mitreißende Solo-Performance und animierte im Anschluss alle Menschen mit und ohne Behinderung zum Mitmachen - es entwickelte sich ein fröhlicher und vor allem völlig ungezwungener Spaß auf der Tanzfläche.
Viele fröhliche Gesichter, viel Lachen und zahlreiche angeregte Gespräche prägten den Tag. Somit wurde die wunderbare Feier dem Anlass mehr als gerecht.
Die Wohnheime der Lebenshilfe Lindau sind schließlich mehr als reine Unterkünfte. Sie sind Orte des Miteinanders, der Unterstützung im Alltag und somit der Teilhabe. Sie sind sichere Räume, in denen sich Gemeinschaft und Individualität entfalten können.
Lange keine Selbstverständlichkeit, wie Esther Hofmann in ihrer Festansprache betonte: „Früher lebten Menschen mit Behinderung in sehr großen Heimen. Wohnen bedeutete damals vor allem, versorgt zu werden“, erklärte die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Lindau. „Heute ist das anders. Heute bedeutet Wohnen, ein Zuhause zu haben und dabei selbst mitbestimmen zu können, wie man leben möchte.“
Auch Lindenbergs Bürgermeister Eric Ballerstedt, der 1996 seinen Zivildienst im Wohnheim 1 der Lebenshilfe Lindau geleistet hatte, erinnerte sich in seiner Rede, dass derzeit „viele Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderungen in den Köpfen verankert waren“. Der Bau des Wohnheim 1 zu Beginn der 80er Jahre inmitten eines Wohngebietes sei damals auch „sehr umstritten“ gewesen.
Der Lebenshilfe Lindau sei es aber gelungen, „Akzeptanz und Verständnis“ zu gewinnen, wodurch die Wohnheime und ihre Bewohner*innen „zu einem selbstverständlichen Teil der Nachbarschaft geworden sind“, lobte Ballerstedt. „Hier wurde und wird Inklusion gemacht und gelebt – und zwar schon seit Dekaden.“
Unterstützt wurde der überfällige Paradigmenwechsel durch das Bundesteilhabegesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention, die ausdrücklich erklärt, Menschen mit Behinderungen müssten „gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben“.
Landrat Elmar Stegmann hob in seiner Rede hervor, dass sich die Lebenshilfe Lindau „seit vielen Jahren mit großer Hingabe dafür engagiert, Menschen mit Behinderung ein liebevolles und förderndes Zuhause zu bieten“. Die „außergewöhnliche Betreuung und die individuell angepasste Unterstützung, die Sie Ihren Bewohnern zukommen lassen, sind von unschätzbarem Wert und verdienen höchste Anerkennung“. Die Arbeit der Lebenshilfe-Wohnheime trage dazu bei, „dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen können“.
Zuvor hatte sich Esther Hofmann ausdrücklich bei „allen Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen, Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Unterstützern“ bedankt. „Sie alle haben dazu beigetragen, dass Wohnen heute nicht mehr nun heiß, untergebracht zu sein, sondern zu Hause zu sein.“
Menschen mit Behinderungen würden nun nicht mehr nur als Pflegefälle gesehen, „sondern als Nachbarn, Mieter, Bürgerinnen und Bürger mitten in der Gesellschaft“, so Hofmann. Und in der Tat befinden sich beide Wohnheime der Lebenshilfe nicht etwa am Rande Lindenbergs, sondern inmitten eines Wohngebietes. Dass dieses Zusammenleben in der Regel sehr gut funktioniert wurde auf dem Jubiläumsfest deutlich, das auch von einigen Anwohner*innen besucht wurde.
Diese Eingebundenheit mache „Teilhabe in einem sozialen Umfeld erst möglich. Die Sichtbarkeit ist dadurch höher und so auch hoffentlich die Akzeptanz“, bestätigte Simone Roth, die zusammen mit Heidrun Wiesner die Leitung der Wohnheime verantwortet. Sie verweist auch auf den Umstand, dass viele Bewohnerinnen und Bewohner nicht nur einen kurzen Abschnitt ihres Lebens im Wohnheim verbringen, sondern den Großteil ihres Lebens.
Und das bringt im Lauf der Zeit neue Herausforderungen mit sich, wie Roth betont: „Die Nachfrage nach Wohnplätzen in der besonderen Wohnform ist hoch, es fehlt aber der barrierefreie Wohnraum. Wir stellen auch fest, dass der Unterstützungsbedarf sehr viel differenzierter wird, das Spektrum mit Blick auf Alter und Art der Behinderung breiter.“
Zudem schwebe auch über der Eingliederungshilfe das Damoklesschwert des Fachkräftemangels. Daher wolle man „weiter daran arbeiten, dass die Rahmenbedingungen besser werden und wir als Arbeitgeber attraktiv bleiben“, so Roth. Denn eines sei klar: „Die Nachfrage nach Wohnplätzen in der besonderen Wohnform sind hoch, es fehlt aber an barrierefreiem Wohnraum.“ Die Lebenshilfe Lindau will darauf mit einem neuen Wohnheim in Lindenberg reagieren.
„Der Bedarf ist hoch, viele Menschen warten auf einen Platz“, weiß auch Bürgermeister Eric Ballerstedt. „Ich drücke die Daumen, dass das neue Wohnheim jetzt wirklich bald auf die Spur gesetzt werden kann.“
EINFACHE SPRACHE:
Man ist dort zu Hause, wo man verstanden wird.
Die Wohnheime der Lebenshilfe Lindau geben seit vielen Jahren Menschen mit Behinderungen ein Zuhause.
Das Wohnheim 1 gibt es seit 40 Jahren, das Wohnheim 2 seit 30 Jahren.
Beim Jubiläum feierten Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitende, Gäste und Nachbarn zusammen.
Es gab Musik, Tanz und viele fröhliche Gesichter.
Die Wohnheime sind mehr als nur Häuser.
Sie sind Orte der Gemeinschaft und Orte der Unterstützung.
Früher wurden Menschen in großen Heimen nur versorgt.
Heute bedeutet Wohnen: mitbestimmen, dazugehören und zu Hause sein.
Die Wohnheime stehen mitten in der Stadt und gehören zur Nachbarschaft.
Das ist ein gutes Beispiel für Inklusion.
Doch es gibt neue Herausforderungen.
Es fehlen barrierefreie Wohnungen.
Es fehlt Personal in der Betreuung.
Darum plant die Lebenshilfe Lindau ein neues Wohnheim.