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Lebenshilfe-Praktikantin Olivja: "Meine Perspektive hat sich total verändert"

Es wird gerne und auch gerne unfair geschimpft über die Generation Z. Nicht belastbar, lustlos, ziellos und noch ein paar schlechte Attribute mehr und einige gute weniger. 

Dabei wird von den betagteren Kritikern gerne vergessen, dass Fury in the Slaughterhouse absolut recht hatten, als sie schon 1993 songtextlich feststellten: „Every generation got its own disease.“ Die alles durchwirkende Digitalisierung, die eine Ego-Kultur mit ständiger Selbst-Optimierung erschaffen hat, kann wohl als „Krankheit“ eben dieser Generation diagnostiziert werden. 

Eine, der sie schutzlose ausgeliefert wurde, was in der Kritik oft zu kurz kommt. Eine Krankheit, die Lebenszeit frisst, echtes Erleben einschränkt, Enthusiasmus absorbiert und dadurch jene Träume und Visionen im Keim erstickt, aus denen junge Menschen eigentlich ihr Leben gestalten sollten.

So mag das für viele Jugendliche gelten. Für viele aber eben auch nicht. Olivja Klappoth ist Schülerin an der FOS Lindau und macht gerade ein halbjähriges Schulpraktikum. Alle zwei Wochen arbeitet die 17-Jährige für zwei Wochen bei einem regionalen Unternehmen Ihrer Wahl.

Olivja hat sich für die Lebenshilfe Lindau entschieden. Hier arbeitet sie unterstützend in der Lindauer Werkstätte und auch im Café Inklusiv in Wasserburg, einem begleitenden Angebot der Lebenshilfe Lindau. Dort haben wir Olivja zum Gespräch getroffen, eine äußerst aufgeweckte und reflektierte junge Frau mit bemerkenswert reifen Gedanken.

Hallo Olivja, super, dass Du Dich für ein Praktikum bei uns entschieden hast. Wie kam es dazu?

Olivja Klappoth: Ich brauche an der FOS ein Schulpraktikum und wollte da erst bei meinen Eltern in einer therapeutischen Einrichtung machen. Das ging dann aber nicht. Ich habe mich dann informiert, wo man sonst noch etwas im Bereich Arbeitstherapie machen kann. Meine Lehrerin hat mir dann die Lebenshilfe Lindau empfohlen. Und hier bin ich jetzt seit Februar.

Du bist jetzt also schon einige Monate bei uns. Wie ist Dein Fazit?

Olivja: Ich finde es sehr cool! Vor allem auch die Mitarbeiter. Es ist toll, wie professionell hier gearbeitet wird. Im Vergleich zu anderen Einrichtungen, die ich kenne, merkt man da schon einen Unterschied. Man geht hier auch oft mit Humor an die Sache ran und ist nicht immer nur total ernst. Von meiner Praktikums-Betreuerin Sonya Potts habe ich viel positives Feedback bekommen. Wir tauschen uns regelmäßig aus.

Du sagst, Dir sei die Professionelle aufgefallen. Wie hat sich das ausgedrückt? 

Olivja: Ich habe da einfach schon einen großen Unterschied gemerkt zu einer anderen Praktikumstelle, ich war davor in einem Kindergarten. Hier bei der Lebenshilfe spricht und erklärt man viel mehr mit mir. Gerade auch mit Blick auf die Herausforderung im Leben der Menschen mit Behinderungen. Also bislang ist das eine tolle und spannende Arbeit.

Du sprichst die Menschen mit Behinderungen an, um die sich bei der Lebenshilfe ja quasi alles dreht. Hat sich im Lauf des Praktikums Deine Perspektive verändert?

Olivja: Ja, die hat sich tatsächlich total verändert. Vor dem Praktikum hatte ich noch Zweifel, ob das das Richtige ist, weil ich halt auch ein ziemlich ungeduldiger Mensch bin. Aber im Praktikum selbst habe ich dann schnell gemerkt, dass es mir richtig Spaß macht und ich auch selber viel dazulerne. Es macht einfach Spaß, mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten.

Was sind Deine Aufgaben?

Olivja: Ich bin in dem Bereich, in dem Flaschen beklebt werden und arbeite da direkt mit den Menschen mit Behinderung zusammen. Wir sprechen da oft über ihre Alltagsprobleme. Auch so etwas wie Liebeskummer und andere Sorgen. Einfach mit ihnen darüber zu sprechen, bewirkt oft schon etwas Gutes. Dann schaue ich noch, dass bei ihren Arbeiten alles klappt. Und aktuell machen wir auch noch einen Tanz fürs Sommerfest, da leite ich die Choreografie an. 

Du bekommst in Deinem Praktikum bei der Lebenshilfe Lindau also schon auch Verantwortung übertragen. Findest Du das positiv oder eher belastend?

Olivja: Ja, ich bekomme schon Verantwortung. Aber ich finde das cool. Es macht wirklich Spaß, sich auch mal alleine mit den Menschen auszutauschen, das gibt einem schnell mehr Sicherheit. 

Weil man mit der Zeit vor allem den Menschen hinter der Behinderung wahrnimmt?

Olivja: Ja, genau! Mittlerweile habe ich auch von allen die Persönlichkeit kennengelernt, sie sind ja alle sehr individuell. Und da nehme ich jetzt in erster Linie die Charaktereigenschaften wahr. Vor allem mittlerweile habe ich ja die verschiedenen Persönlichkeiten kennengelernt. Und die sind ja alle sehr individuell. Und bei mir ist es auch so, dass ich eigentlich nur noch diese Charaktereigenschaften sehe.

Früher gab es Wehrpflicht und Zivildienst. Heute gibt es Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Bundesfreiwilligendienst (Bufdi). Was würdest Du zu einer Rückkehr zu einem verpflichtenden Sozialjahr sagen?

Olivja: Das ist ein schwieriges Thema und schwer zu beantworten. Es hat Vor- und Nachteile. In unserer heutigen Gesellschaft ist es ja aber so, dass die Sozialkompetenz ziemlich nachgelassen hat. Daher kann ich mir vorstellen, dass es einigen Menschen schon guttun würde. Zumal man einfach auch selber so viel lernt, fürs zukünftige Berufsleben, aber eben auch für seine eigene soziale Kompetenz. Ich merke das ja auch bei mir, obwohl ich jetzt nur ein knappes halbes Jahr da bin. Die Erfahrungen machen schon einen Unterschied. 

Was würdest Du in Deinem Freundeskreis antworten, wenn man Dich nach Deinen Erfahrungen fragen würde?

Olivja: Ich würde antworten, dass man selber sehr viel lernt und über sich hinauswächst. Man lernt auch besser das Gespräch mit anderen und wird dadurch selbstbewusster.  Dadurch, dass ich auch Verantwortung übertragen bekomme, merke ich, was mir liegt und was mir nicht so liegt. Ich lerne einfach, selbstständig zu handeln. Und das finde ich schon relativ wichtig. Denn wenn man jetzt einfach so ins Arbeitsleben startet, hat man schon noch viele Unsicherheiten. Und so hat man schon mal einen gewissen Vorgeschmack bekommen.

Du bist 17 Jahre jung. Hast Du schon eine Vorstellung, was Du beruflich machen möchtest?

Olivja: Mir gefällt der soziale Bereich sehr gut. Allerdings möchte ich später mal ein sehr gutes Gehalt haben, wenn ich erwachsen bin. Gerade als Absicherung für die Rente, bei der es für die Zukunft ja ziemlich schlecht aussieht. Deswegen ist es mir wichtig, dass ich gut verdiene, um gleich schon für die Zukunft vorzusorgen.

Das ist eine bemerkenswerte Weitsicht mit 17 Jahren. Ich kann Dich aber beruhigen: Man verdient in sozialen Berufen nicht grundsätzlich schlecht, auch wenn die Vorstellung weit verbreitet ist, dass man von einem Gehalt nicht leben könne und diese Annahme der Branche im Ringen um Fachkräfte und junge Azubis tatsächlich leider auf die Füße fällt. Nur als Beispiel: Als Heilerziehungspflegerin (HEP) sind es etwa rund 4.000 Euro Monatsbrutto, Zulagen und auch mögliche Tariferhöhungen nicht einberechnet.  Natürlich aber ist gemessen am enormen gesellschaftlichen Wert dieser Berufe bei der entsprechenden Wertschätzung noch Luft nach oben. Könntest Du Dir dennoch eine soziale Ausbildung als Grundlage vorstellen?

Olivja: Eigentlich schon, ja. Aber ich würde dann wohl doch eher gleich etwas Soziales studieren, weil ich schon studieren möchte. Dann hätte ich im sozialen Bereich bessere Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen.

Liebe Olivja, danke für das Gespräch und Dein ehrliches Interesse an der Arbeit bei der Lebenshilfe Lindau. Du wirst sicherlich auch beruflich Deinen Weg gehen.

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EINFACHE SPRACHE:

Olivja ist Schülerin an der FOS.
Sie macht ein Praktikum bei Lebenshilfe Lindau.
Sie arbeitet mit Menschen mit Behinderung.
Das macht ihr großen Spaß.
Anfangs hatte sie Zweifel.
Jetzt ist sie begeistert von der Arbeit.
Sie übernimmt Verantwortung im Praktikum.
Sie lernt, selbstständig zu arbeiten.
Sie bekommt viel Feedback vom Personal.
Sie sieht jetzt die Menschen, nicht nur die Behinderungen.
Sie spricht mit ihnen über Alltagsprobleme.
Auch Themen wie Liebeskummer kommen vor.
Sie leitet eine Tanzgruppe fürs Sommerfest.
Olivja findet die Arbeit professionell organisiert.
Der Umgang ist freundlich und mit Humor.
Sie findet ein Sozialjahr wäre hilfreich.
Man lernt dabei viel fürs Leben.


Michael Wollny
Öffentlichkeitsarbeit
michael.wollny@lh-lindau.de