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Stellungnahme der Lebenshilfe Lindau: Psychiatrischer Ausnahmezustand im Landkreis

Foto: Alexandre Saraiva Carniato

Die Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung e.V. Kreisvereinigung Lindau ist wie der Gemeindepsychiatrische Verbund (GPV) über die desolate psychiatrische Versorgung im Landkreis äußerst besorgt. „Wir unterstützen daher die Positionen, welche der GPV Ende April in seiner Stellungnahme an die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) sowie den Landkreis Lindau übermittelt hat“, erklärt Esther Hofmann, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Lindau. 

Für die von der Lebenshilfe Lindau betreuten Menschen mit kognitiven Einschränkungen, die psychiatrische Unterstützung benötigen, stoßen wir gerade bei Neufällen regelmäßig an unsere Grenzen – egal ob im stationären oder ambulanten Betreuungsverhältnis. 

Bis zu viermal höheres Risiko einer psychischen Erkrankung

Dabei haben gerade Menschen mit einer geistigen Behinderung ein bis zu viermal höheres Erkrankungsrisiko als die Durchschnittsbevölkerung. Auch sie sind also von Depressionen, Angststörungen oder Psychosen betroffen. Hier könnte bereits bei Hinweisen auf eine sich andeutende psychische Erkrankung mit präventiven psychotherapeutischen Maßnahmen gegengesteuert werden, gäbe es entsprechende Fachärzte und flankierende Angebote.

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Einen geeigneten Ansprechpartner zu finden, gelingt im Landkreis Lindau aber oft nur mit großem individuellem Einsatz unseres Personals – manchmal nur, weil wir bereits persönliche Kontakte haben oder ein Hausarzt die Dringlichkeit ausdrücklich bestätigt. Mitunter erhalten wir dann Hilfe im benachbarten Landkreis.

Die langen Wartezeiten auf Termine sind eine zusätzliche Belastung – nicht nur für neue, sondern auch für bereits in Behandlung befindliche Patienten. Die Situation für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist dabei besonders prekär, da viele von ihnen kommunikative Probleme haben, sich klar und verständlich mitzuteilen. Das erschwert sowohl die Diagnostik als auch die therapeutische Begleitung erheblich.

Katastrophale Unterversorgung mit Folgen

Diese Menschen brauchen mehr Zeit, mehr Vertrauen und vor allem Kontinuität – also möglichst keine ständig wechselnden Ärztinnen und Ärzte. Die Beziehungsebene ist bei den von uns betreuten Menschen zentral für den Behandlungserfolg. Personalknappheit, lange Wege und fehlende Therapieplätze verschärfen die Situation weiter. Leider führt dieser Mangel oft zu einer rein medikamentösen Behandlung – nicht unbedingt aus fachlicher Überzeugung, sondern weil es an psychotherapeutischen Angeboten fehlt.

Die Folgen dieser katastrophalen Unterversorgung sind erheblich. So hatten wir eine Person mit Down-Syndrom, die bei Einzug ins Wohnheim deutliche Anzeichen einer beginnenden Demenz sowie Anfälle zeigte, deren Auslöser nicht zu klären war. Ein Termin bei einem Psychiater war nur mit viel Einsatz und außerhalb des Landkreises möglich.

In einem anderen Fall wartet eine junge Frau mit geistiger Behinderung und Impulskontrollstörung bis heute vergeblich auf einen wohnortnahen Therapieplatz. Im ambulant-betreuten Wohnen habe wir Menschen mit Depressionen, die nicht adäquat behandelt werden können oder gänzlich auf eine Therapie verzichten müssen. Mitunter verlieren die Betroffenen mit der Zeit das Vertrauen in die Fachrichtung und resignieren, was die Depression noch verstärkt.

KBV muss zügig und mit hoher Priorität handeln

Die Erfahrung zeigt, dass viel zu oft passende Angebote fehlen oder die Komplexität der Behinderung gar zur Ablehnung führt, weil es an Therapeutinnen und Therapeuten mangelt, die über die nötigen Kenntnisse im Umgang mit kognitiv beeinträchtigten Menschen verfügen. Für die Betroffenen hat dies lange Leidenswege ohne adäquate Unterstützung zur Folge. 

Der akute Mangel an barrierefreien psychiatrischen Angeboten im Landkreis ist ein äußerst ernstes Versorgungsproblem, das sich nicht untätig aussitzen lässt. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) steht in der Pflicht, die psychiatrische Versorgung im Landkreis durch einen nachhaltigen Ausbau an psychotherapeutischen Angeboten und Facharztpraxen mit hoher Priorität zu verbessern.

EINFACHE SPRACHE:

Die Lebenshilfe Lindau ist sehr besorgt.
Psychiatrische Hilfe im Landkreis fehlt oft.
Menschen mit Behinderung brauchen mehr Unterstützung.
Neue Patient*innen bekommen schwer Termine.
Oft fehlen passende Fachärztinnen und -ärzte.
Betroffene bekommen dann nur Medikamente.
Das ist nicht immer die Lösung.
Beziehungen und Vertrauen sind sehr wichtig.
Therapieplätze sind zu selten vorhanden.
Die KVB muss dringend etwas tun.


Michael Wollny
Öffentlichkeitsarbeit
michael.wollny@lh-lindau.de